Man könnte fragen: "Warum machen sie Pornovideos?" Man könnte auch antworten: "Warum nicht?"
Le Dauphiné Vaucluse | Thierry Alcaraz | Polochons, Ketten und Moral
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Le Dauphiné Vaucluse

Donnerstag, 24. Juli 2003

 

Die Unschuldigen": Polochons, Ketten und Moral

Im Pulsionstheater um 22 Uhr

Mit Intelligenz bringt uns der Regisseur David Noir in einen Rahmen, der aus dem Rahmen fällt, den Rahmen eines Rechts auf Genuss um des Genusses willen und einfach deshalb. Nacktheit ist an der Tagesordnung und das Spiel mit dem Sex ist wichtig. Wir finden, dass es manchmal gut ist, sich selbst mit Humor zu entdecken. Gewiss, das ist eine Farce, über die wir lachen. Dann geben uns die Schauspieler, Sänger und Menschen langsam eine etwas provokantere Botschaft. Texte, die zum Absurden neigen, kurz aber effektiv sind und Reaktionen auslösen. Man könnte die Frage stellen: "Warum diese Pornovideos? Man könnte auch antworten "warum nicht". Genau das ist der Sinn der Arbeit dieses Teams. Aber wäre es darüber hinaus unmoralisch, beim Oralsex in der Gruppe zuzusehen? Ja, es ist beunruhigend, aber vielleicht sind es nicht sie, die uns beunruhigen, sondern eher eine Gesellschaft, die von uns immer weniger verlangt, dass wir uns bewegen und unzeitige Erektionen vermeiden. Dieses Stück sagt uns, dass wir uns nicht für unsere Sexualität schämen müssen und schon gar nicht für ihre Eigenheiten. Es ist selten, dass man Menschen sieht, die nicht schummeln, keine fleischfarbene Unterwäsche, keine verschleierte Nacktheit. Doch jenseits dieses Verhältnisses zur "Haarigkeit" spielt sich auf der Bühne eine Welt der Unvernunft ab, die uns vor Augen führt, dass die Gesellschaft als Ganzes verrückt und krank ist und auf eine angekündigte Krise zusteuert. Ob es nun die Barbiepuppe oder die großen Designer sind, deren Portemonnaies so groß sind wie ihre Kulissen, jeder muss den Kopf hinhalten. Die Ausstellung stellt auch die Frage: "Was würde passieren, wenn wir alle, alle Gewissen, aus dem moralischen Griff der Zensur befreien würden? Ein letztes Musikstück setzt ein, die Lichter auf der Tribüne gehen an und die Schauspieler laden uns zu einem letzten befreienden Tanz ein, wie eine neue Art zu applaudieren, mitzumachen. Durch unsere Unfähigkeit, dieser Aufforderung nachzukommen, erkennen wir, dass wir, sobald wir außerhalb der Regeln stehen, behindert sind. Das Bühnenbild wird weggeräumt, schwarznasige Clowns fegen über die Bühne wie Kinder nach einer großen Schlacht mit Seesäcken und Spielzeugsoldaten. Jetzt liegt es an uns, zu entscheiden, ob wir eine Welt des Genusses oder eine Welt der Kastration wollen. Vielen Dank, Herr Regisseur, vielen Dank, liebe Schauspieler. Ein großer Moment des Vergnügens.

Thierry ALCARAZ

David Noir

David Noir, Performer, Schauspieler, Autor, Regisseur, Sänger, bildender Künstler, Videomacher, Sounddesigner, Lehrer... trägt seine polymorphe Nacktheit und seine kostümierte Kindheit unter die Augen und Ohren eines jeden, der sehen und hören will.

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